Bericht

Adieu Eveline, salut David

Nach 33 Jahren geht die Kinderkleiderbörse in neue Hände und ein besonderes Kapitel am Friesenberg schliesst sich. David Berdah führt nun die Geschäfte. Wir verabschieden uns von Eveline Vogel, einer idealistischen Geschäftsfrau, vor allem aber einem Menschen in der Mitte, der fehlen wird.

Eveline will duzen. So steht es auf einem grossen Schild an der Eingangstür zur Börse. Sie kommuniziert gerne auf Augenhöhe, mag es bodenständig. Wir treffen uns in der Kinderkleiderbörse an der Schweighofstrasse 195. Eine riesige Pumuckl-Figur weist den Weg die Treppe hinunter ins Untergeschoss. Das ist Evelines Reich. Im ersten Moment überwältigt von Kunterbuntem, überrascht auf den zweiten Blick eine unglaubliche Ordnung im Kleinen: Strampler, Hosen, Schuhe sind fein säuberlich in Regalen eingereiht. Hier erwartet uns Eveline Vogel, 33 Jahre lang Geschäftsführerin der Börse. Und hier erzählt sie ihre Geschichte – die Geschichte einer spannenden Frau, die ganz anders beginnt, als man es vielleicht erwartet.

Verrückte Jugendjahre

Eveline Vogel wuchs als Eveline à Porta in einer Genossenschaft in Albisrieden auf und begann mit 15 ihre Ausbildung zur Verkäuferin und Dekorateurin in der Traditionsboutique Löw am Limmatquai. «Mode hat mich immer fasziniert», sagt sie, und ihre Augen strahlen. Schon als junge Frau wusste sie ganz genau, was sie wollte. Ihr Lebensweg nahm eine besondere Wendung, als sie von einem Model der Agentur Fotogen angesprochen wurde. Ihre langen blonden Haare und ihr bildschönes Gesicht mit Sommersprossen fielen auf. Eveline Vogel erinnert sich: «Ich war der natürliche Typ, der damals sehr gefragt war.» Sie schloss die Ausbildung ab und arbeitete dann in der Agentur, um sich eine Setkarte zu finanzieren – und wurde zu einem der meistgebuchten Fotomodels der Schweiz. Ihre Karriere nahm Fahrt auf: Eine Agentur aus den USA entdeckte Eveline Vogel und holte sie nach New York. Die grosse, weite Welt verlor aber rasch ihren Reiz. Eveline sagt: «Der Druck im amerikanischen Model-Business und das Heimweh waren gross.» Nach 4 Wochen war sie zurück in Zürich.

Eveline Vogel erzählt gerne aus ihrer Zeit als Fotomodel. Ein Leben im Rampenlicht der 70er Jahre, umgeben von Stars wie Terence Hill und Catherine Deneuve, Aufmerksamkeit, exotische Reisen. All das war der Lohn für strikte Disziplin und lange Tage. «Die Arbeit selbst war hart – vor allem die mehrwöchigen Katalog-Shootings», resümiert Eveline Vogel. Besonders stolz ist sie auf eine Modestrecke mit politischer Botschaft, die 1971 in der «Annabelle» publiziert wurde: Mit Ballonmütze und in lässigen Kleidern malt sie ein grosses «JA!» zum Frauenstimmrecht auf eine Holzwand.

Werbeshootings und viele, viele Windeln

Auch im Privatleben lief es rund: Eveline heiratete ihren langjährigen Freund. Das Ehepaar zog in die FGZ-Siedlung Grossalbis. 1975 wurde ihr erster Sohn Oliver geboren, Eveline Vogel war gerade mal 23. Mit der Unterstützung ihres Mannes und der Grosseltern modelte sie weiter. Dann folgten 3 weitere Kinder: Andi, Barbara und Simone. Die 4-fache Mutter beendete ihre Karriere. Nach der Scheidung von ihrem Mann lernte Eveline Vogel ihren heutigen Partner Marc Mehli kennen. Die beiden sind nun seit 27 Jahren ein Paar. Mit Marc zog sie in einer Patchwork-Familie die 6 Kinder gross. Seit über 10 Jahren leben die beiden in der Grünmatt.

Nachhaltigkeit als Motivation

Vor 33 Jahren wird die Kinderkleiderbörse eröffnet, und Eveline kann ihren Traum von mehr Nachhaltigkeit verwirklichen. Das noch junge Geschäft profitierte von der Offenheit der FGZ und der reformierten Kirche und dem günstigen Mietzins der Stadt Zürich.

Was als kleiner Secondhand-Laden anfing, wurde mit den Jahren immer professioneller. Die Geschäftsführerin stellte bis zu 5 Mitarbeiterinnen ein. Freiwillige Einsätze zum Saisonwechsel entschädigte sie mit einem Nachtessen «Chez Eveline».

Heute bringen rund 500 Privathaushalte ausgediente Kleider und vieles mehr in Kommission zur Annahme. Die Börse wird von Müttern und Vätern ausserdem zum persönlichen Austausch genutzt, was Eveline sehr freut. Fragt man sie nach dem Erfolgsrezept, muss sie nicht lange überlegen: «Die grosse Auswahl an tadellosen Kleidern, Schuhen, Sportartikeln und Spielen, die tiefen Preise, eine kompetente Beratung und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden.»

Eveline Vogel und David Berdah im Laden der Kinderkleiderbörse
Für die Übergabe haben Eveline Vogel und David Berdah sich viel Zeit genommen.

Von langer Hand geplant

«Wenn ich gesund bleibe, führe ich die Börse bis 70», sagte sich Eveline vor vielen Jahren. Und doch fällt ihr der Abschied nicht leicht: «Die vielen guten Leute, die eingespielte Frauengruppe, die spannenden Gespräche und die grosse Anerkennung werden mir fehlen.» Eher weniger vermissen wird sie den Annahmetag. Nur einwandfreie Artikel kamen bei ihr ins Regal. Diese auszusortieren, verlangte Fingerspitzengefühl und Konsequenz: «Am Dienstag konnte ich nicht nur sympathisch und verständnisvoll sein, sonst hätte dieser Laden nicht funktioniert.» Nein sagen musste Eveline Vogel erst lernen: «Ich bin Waage und eigentlich ein Harmoniebündel.»

Die Gründerin ist überzeugt, dass die Börse in guten Händen ist. «Es gab einige Interessierte für die Nachfolge», sagt Eveline Vogel. «Aber David und seine Hartnäckigkeit haben mich am Ende überzeugt.»

Gemeinschaft als Energiequelle

Eveline Vogel wird den Börsenalltag vermissen, langweilig wird es ihr nicht. Zusammen mit Marc plant sie die eine oder andere Reise und freut sich auf mehr Zeit für die Familie, Kochexperimente, Sport und auf Tage im eigenen Wohnwagen am Sihlsee. Eveline will sich auch sozial engagieren. «Jetzt denk doch mal an dich, Mami!», hört sie manchmal von ihren Kindern. Das berührt sie. Aber Eveline möchte weiterhin ihren Beitrag für ein gutes Miteinander leisten.

Die Kinderkleiderbörse Friesenberg wird nahtlos weitergeführt. Über Neuerungen informiert David Berdah, der neue Verantwortliche hier.

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