Bericht

«Schöne Zeiten am Friesenberg»

Unsere Redaktion hat Maria Rusterholz (99) im Gesundheitszentrum fürs Alter Laubegg besucht. Maria ist die Schwiegertochter von Theophil Rusterholz, einem der 200 Gründungsmitglieder der FGZ. Die gebürtige Österreicherin blickt mit uns auf ihr Leben am Friesenberg zurück.

Maria Rusterholz stammt aus einer Generation, die den Krieg noch erlebt hat. Sie ist in der Steiermark geboren und aufgewachsen. Ihre Familie, die Schobers, hatten Glück. «Wir haben auf dem Land nicht viel gemerkt. Das ist glimpflich für uns ausgegangen», fasst sie ihre Jugendjahre zusammen.

«Schöne Zeiten am Friesenberg»

Maria Rusterholz beginnt ihre Erzählung mit einem positiven Resümee: «Es bleibt, was man erlebt hat. Wir hatten schöne Zeiten am Friesenberg.» Den Dialekt ihrer Heimat Steiermark hört man auch nach über 70 Jahren in der Schweiz noch heraus.

Die 99-Jährige ist eine gepflegte Frau. Ihre Haut wirkt zart, sie trägt einen perlweissen Wollpullover mit filigranem Goldknopf und ein dunkles Käppli. Die Haltung: kerzengerade. Der Geist: glasklar. Den Sofatisch hat sie frei gemacht, einen Stuhl bereitgestellt für unser Gespräch. Aufgeräumt ist die Einzimmerwohnung, aufgeräumt wirkt auch Frau Rusterholz. In der kommenden Stunde nennt sie viele der ihr hängen gebliebenen Jahreszahlen. Fotos aus ihrem Leben hat sie zwar nicht viele, an den wenigen hängt sie aber sehr. Die wertvollsten stehen gerahmt auf dem Fenstersims.

Als wir sie besuchen, ist es gerade mal 3 Monate her, dass sie noch in ihrer Wohnung im 1. Stock im Rossweidli 71 gewohnt hat. Dort war sie daheim, fast 70 Jahre lang, seit 1956. Maria fremdelt etwas mit der neuen Situation. Wenn sie über die Zeit des Umzugs ins Pflegeheim spricht, spürt man, dass ihr dieser nicht leichtgefallen ist.

«Wir wohnten wie im Paradies»

Bis zu ihrem 27. Lebensjahr hilft Maria ihren Eltern mit einer kleinen Landwirtschaft in der Nähe von Graz. Aber der elterliche Hof ist ihr zu klein. «Die Arbeit auf dem Hof hat mir nicht mehr zugesagt. Ich wollte noch etwas lernen.» In der Steiermark gibt es keine Arbeit. «Komm, wir gehen weg», hat eine Freundin damals zu ihr gesagt. Sie entscheidet sich, ihr Glück woanders zu suchen. Und Zürich sucht Haushaltshilfen. So migrieren die jungen Frauen 1951 in die Schweiz. Die Freundin geht schon bald nach Österreich zurück. Maria bleibt.

Im Restaurant Bergterrasse, im Tannegg am Friesenberg, findet Maria Rusterholz eine Anstellung. Die Arbeit im Restaurantbetrieb gefiel ihr, das hört man heute noch raus.Als Servicekraft lernt sie dort auch ihren späteren Mann Werner kennen. Die beiden heiraten kurz darauf.

Maria Rusterholz zieht 1956 zu Werner und seinen Eltern in eine 3-Zimmer-Wohnung der FGZ. «Im Rossweidli 71 waren wir zuoberst in der Reihe, mit Sicht auf den Uetliberg. Es war ein Paradies.» Bald schon erwartet Maria ein Kind. Als die Schwiegermutter 1 Jahr später stirbt, schläft der Schwiegervater Theophil fortan im Wohnzimmer. So hat die frisch geborene Erika, Marias und Werners einziges Kind, ein eigenes Zimmer. Auf die Frage, ob das denn gut ging mit den Schwiegereltern auf engstem Raum, lacht sie: «Natürlich muss man friedlich und tolerant sein. Den Tag durch war ich am Arbeiten, oft auch am Abend. Mit dem Schwiegervater hatte ich es sehr gut.» Theophil Rusterholz geniesst die 1. Jahre mit der Enkeltochter Erika. Kurz nach deren 3. Geburtstag stirbt er.

«Wer hätte gedacht, dass ich so alt werde»

«Als Erika klein war, hatten wir einen Garten. Sie hat es lustig gefunden, die Rüebli aus der Erde zu ziehen und daran zu knabbern.» Maria Rusterholz hat dieses Bild noch klar vor Augen. Erika ist mit 60 Jahren an Krebs gestorben. Kommt die Sprache auf ihre Tochter, wird Maria leise. Fast alle anderen ihrer Generation sind auch nicht mehr da. Auch ihr Mann ist schon lange tot. Bald 100 Jahre alt werden heisst eben auch, zu den Überlebenden zu zählen. Das Vierteljahrhundert, in dem Maria Rusterholz allein im Rossweidli wohnte, hat sie geprägt: «Ich war so viele Jahre allein. Ich habe mich daran gewöhnt.» Sie freut sich aber über regelmässige Telefonate mit ihren Neffen oder ihrem Schwiegersohn. Den einen oder anderen Schwatz im Seniorenheim nimmt sie ebenfalls mit.

«Man war zufrieden mit dem, was man hatte»

Die ehemalige Serviererin Maria Rusterholz ist immer noch gut zu Fuss. Sie ist gerne auf den Beinen und dreht ihre Runden im Laubegg. Nach 2 Oberschenkelhalsbrüchen im Jahr 2022 läuft sie mit dem Rollator. Der Neffe Jürg Guler und seine Frau Ruth kümmern sich bis heute um die Tante und begleiten diese regelmässig zum Augenarzt. Maria Rusterholz will sich am liebsten kurz halten: «Man hat gelebt und war zufrieden mit dem, was man hatte. Wichtiges ist bei mir nicht gross passiert.»

 

Tochter Erika war das ganze Glück von Maria Rusterholz.

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