Die Bauminteressierten trafen Andrea Saluz, Leiter Koordination Stadtbäume bei Grün Stadt Zürich, auf dem Friesenbergplatz. Zuerst outete sich Andrea Saluz gleich als FGZ-Fan. Er findet die FGZ unglaublich lebenswert. Auch wies er darauf hin, dass der Friesenberg einen Baumschutz kenne, was die Stadt Zürich als Ganzes leider nicht habe, ganz im Gegenteil zu anderen urbanen Räumen wie zum Beispiel der Kanton Basel-Stadt, er seit den 1980er Jahren ein Baumschutzgesetz hat. Ein Baumschutz heisst, dass ein Baum mit einem Stammumfang von 80 Zentimetern ohne Bewilligung nicht gefällt werden darf.
Aber zurück zum Friesenbergplatz. Die 5 hier gepflanzten Hirschgeweihbäume haben – wie viele Bäume in den verdichteten Städten von heute – wegen der darunter liegenden Tiefgarage wenig Wurzelraum. Andrea Saluz, Spezialist für Standort und Substrat, wies darauf hin, dass von einem Baum, der wenig Platz im Untergrund hat, kein gleich grosses Wachstum erwartet werden darf. Für Bäume gilt die Faustregel Kronenvolumen gleich Wurzelvolumen.
Die Gruppe stellte gleich zu Beginn so viele Fragen, dass die ersten 15 Minuten dem Wort Spaziergang nicht gerecht wurden. Dann aber ging es los in Richtung Etappe 1 – der Gründeretappe mit ihrem alten Baumbestand. Dort forderte uns Andrea Saluz auf, die Bäume und ihre Umgebung zu betrachten. Was uns da auffalle, wollte er wissen. Das war einfach. Schon auf den ersten Blick konnten wir 5 verschiedene Baumarten erkennen, im Gegensatz zur Umgebung bei vielen Neubauten in der Schweiz, wo meist gleiche Arten zu sehen sind. Das käme daher, dass die Architektur der letzten Jahre gerne Einheitlichkeit habe, nicht nur in der Art, sondern auch in Form und Grösse.
Die Pappelstrasse verdankt ihren Namen zwar der Pappel, aber es gibt dort auch Hasel, Buchen, Feigen-, Nussbäume und so weiter, alle von unterschiedlicher Grösse und in verschiedenen Altersstufen. Das ist wichtig für eine gesunde Struktur. Der grosse Unterschied zwischen der Bauplanung von damals zu heute sei, dass bei der Planung sowohl die Sukzession als auch die Baumarten mit einbezogen wurden. Da berücksichtigte man, dass die Pappel als Ruderalstratege schnell in die Höhe schiesst. Wenn der Riese etwa nach 90 Jahren abstirbt, können Buchen oder Eichen, die viel älter werden, seinen Platz einnehmen. Dieses Wissen werde bei der heutigen Landschaftsplanung aussen vorgelassen und es werde dem erwähnten Einheitswunsch entsprochen.
Eine sehr grosse Herausforderung bei der Baumplanung in der Stadt – heute vermehrt als «Urban forestry» bezeichnet – sei der Nutzungsdruck auf ihre Flächen. Beim verdichtetem Bauen haben Bäume kaum noch Raum, so wie oben erwähnt beim Friesenbergplatz im Untergrund. Der Platz für Rohrleitungssysteme, Leitungen und Projekte für Telekommunikation, Tiefgaragen etc. muss berücksichtigt werden. Dabei wären gerade in heutiger Zeit mit zunehmend heisser werdenden Temperaturen in den Städten grosse Bäume mit viel Laubwerk elementar. Denn in Sachen Hitzeopfern in Ballungsgebieten steht Zürich den südlichen europäischen Städten in nichts nach. Und gewusst, Bäume spenden nicht nur Schatten sondern verdunsten auch eine Unmenge an Wasser. So verdunsten die 250 Jahre alten Platanen am Platzspitz pro Tag je 170‘000 Liter Wasser und tragen somit erheblich zur Kühlung der Umgebung bei. Andrea Saluz wünscht sich angesichts dessen und als Lobbyist der Bäume, dass die Unterbauungsziffer, wo immer möglich, tief gehalten wird. Sprich, wenn auf eine Tiefgarage wirklich nicht verzichtet werden kann, dann lieber zweistöckig. tief in den Boden hinein als einstöckig und weiträumiger. Nur geht dies leider mit enorm viel höheren Kosten einher.
Ein weiterer Punkt, welcher die Teilnehmenden interessierte, ist das Substrat oder der Boden rund um den Baum, wie gross ist der Platzanspruch oder die Baumscheibe. So verglich Andrea Saluz ein paar Varianten miteinander.
Am besten für einen Baum ist grossflächiges Grün rundherum, wie es in einem Park der Fall ist. Wenn das nicht geht, sollte ein möglichst gutes Substrat mit guter Versickerungsleistung rund um den Baum verbaut werden. Denn die Wurzeln nehmen vor allem an den Wurzelspitzen, also weit aussen, Wasser und Nährstoffe auf und nicht in Stammnähe. Und genau dort enden häufig die Baumscheiben oder die Versickerungsböden und der Baum bekommt Trockenstress.
Eine unversiegelte Fläche wie die Chaussierung (Kiesboden) rund um den Baum wie zum Beispiel in der «Cheri» in der Etappe 1 anzutreffen (siehe Bild), ist auf jeden Fall besser als versiegelter Boden. Aber auch eine Chaussierung werde – zum Erstaunen einiger Teilnehmenden – mit der Zeit wasserundurchlässig und könnte den beiden Linden dort das Leben auf Dauer nicht eben leicht machen. Versickerungstechnisch besser ist laut Saluz der unversiegelte Klinkerboden des Friesenbergplatzes.
Wir bewegen uns weiter über die Känguruwiese zur Etappe Grünmatt. Hier sind die Bäume ein wenig Problemkinder, wie einige Teilnehmende erzählen. Sie wachsen nicht recht, vor allem in der unterbauten Baumhaldenstrasse aber auch in der Grünmattstrasse sind sie gestresst. Diesem Umstand hat die FGZ-Verwaltung diesen Frühling nochmals entgegengewirkt, indem sie z.B. die Baumscheiben in der Grünmattstrasse erweitert und begrünt und vier Bäume ersetzt hat. Die Bäume haben nun mehr Platz, die Wurzeln können so grösser werden und mehr Wasser aufnehmen.
Der Stabilizer, der hier verbaut wurde und noch vor wenigen Jahren in der Fachwelt hoch gelobt wurde, ist laut Saluz nach einigen Jahren auch nicht mehr recht versickerungsfähig. Etwas, was das FGZ-Gärtnerteam schon länger beklagt. Gemäss Saluz wäre es in Zukunft idealer, von Beginn an den Untergrund einer Überbauung wesentlich gründiger, also baumfreundlicher zu gestalten. Oft nehme man heutzutage Wandkies und fülle mit wenig Humus auf. Es gebe heute aber geeignetere, strukturstabilere Baumsubstrate. Dieses Substrat sei zwar viel teurer, verhindere jedoch Problembehandlungen, Nachbesserungen oder gar Baumausfälle. So rechne sich das wieder sehr gut.
Eine neuere Innovation für Wegeflächen, die gelegentliche Zufahrten und Belastungen aushalten und trotzdem versickerungsfähig sind, sind sogenannte «Rasenliner». Das sind Verbundsteine, die in der Mitte enger gesetzt werden als gegen aussen zu den Bäumen hin. So sind die Wege rollstuhlgängig und können trotzdem Wasser versickern, was gut für die am Wegrand stehenden Bäume ist. In Wien werde dies bereits vorbildlich eingesetzt. Andrea Saluz selber ist an diversen Projekten beteiligt, die guten Ideen nachgehen. Für Zürich ist zum Beispiel ein Substrat in Entwicklung, ein Humus-/ Schottersteingemisch, das den Bäumen Platz und Nährstoff fürs Wurzelwerk bieten soll. Lösungen gäbe es viele, nur der Platz fehle oft.
Bäume werden in Baumschulen zum Beispiel in Norddeutschland oder Osteuropa über viele Jahre gezogen, umsorgt und gehegt. Sie haben Platz und gute Bedingungen. Wenn sie dann irgendwo in der grossen weiten Welt verpflanzt werden, brauchen sie Akklimatisationszeit, um sich in der neuen, oft weniger geschützten Umgebung zurechtzufinden. Es ist daher sehr wichtig, Bäume möglichst jung zu pflanzen, da sie in der Regel besser anwachsen, wenn sie noch anpassungsfähiger sind.
Und gewusst, was es mit der weissen Farbe am Stamm junger Strassenbäume auf sich hat? Tatsächlich ist das Sonnencrème, damit die Borke nicht verbrennt. Alle wichtigen Funktionen, die den Baum mit Nahrung und Wasser versorgen, befinden sich nämlich in den äusseren 5-20 Millimetern der Rinde und müssen darum gut geschützt sein.
Zum Schluss empfahl Saluz eine Spezialfolge von «Die Sendung mit der Maus – Wie kommt der Baum in die Stadt?» Wir haben sie angeschaut – und können sie nur ebenfalls weiterempfehlen.
Fazit: Geeignete Bäume pflanzen und pflegen ist unglaublich komplex – aber enorm spannend.
Die ständige Mitwirkungsgruppe ANR informiert und sensibilisiert im Bereich Natur. Im Fokus steht dabei die Bedeutung der biologischen Vielfalt, der sorgsame Umgang mit Pflanzen und Tieren sowie die naturnahe Gestaltung und Pflege der Hausgärten, Sitzplätze, Balkone, Hochbeete oder Pflanzflächen.
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