Will man Bernadette Michod besuchen, führt der Weg vorbei an einem Giganten. Eine riesige Buche steht zwischen den Mehrfamilienhäusern «Im Rossweidli». Fast scheint sie einen mit ausladenden Ästen umarmen zu wollen. Willkommen fühlt man sich auch bei Bernadette – von der ersten Minute an. Sie führt uns in ein gemütliches Wohnzimmer mit schönem Holztisch. Hier nehmen wir Platz. Die kleine, weisshaarige Frau im schwarzen Pullover und Jäckchen schaut freundlich durch ihre Brillengläser. Sie zeigt uns einen mit Schreibmaschine geschriebenen und mit Füller unterzeichneten Mietvorvertrag, den ihr Vater 1952 mit der FGZ abgeschlossen hatte: «Erst dachte ich, 1788 Franken konnten wir uns doch gar nicht leisten. Aber das war die Miete für ein ganzes Jahr», erklärt Bernadette. Die Familie Keller war nie reich, gefehlt hat es aber an nichts: «Man hatte ja immer jemanden zum Reden, und es war ständig etwas los.»
Das Haus der Kellers an der Schweighofstrasse war 2-stöckig. Unten war der Wohn-, oben der Schlafbereich. Es gab nur eine Toilette mit Waschbecken im Erdgeschoss und eine freistehende Badewanne im 1. Stock. Einmal die Woche war Badetag. Die Geschwister stiegen eines nach dem anderen in das über einen Boiler erwärmte Wasser. Die älteste Schwester durfte als Erste rein. Bernadette kam in der Mitte, sie wurde als 4. Kind in die Familie geboren. Überhaupt wurde alles geteilt. Vielleicht sogar die Zahnbürste und Waschlappen. So genau weiss das heute von den Geschwistern keines mehr. Bernadette lacht.